December 12, 2018
Die beste Musik des Jahres
Große Stars, junge Talente und natürlich die aller geheimsten Geheimtipps: Mitarbeiter von ZEIT und ZEIT ONLINE empfehlen Alben und Musikbücher.Von Jens Balzer, Antonia Baum, Martin Eimermacher, Volker Hagedorn, Christine Lemke-Matwey, Dirk Peitz, Pinky Rose, Hannah Schmidt, Ulrich Stock und Fabian Wolff
Großer Star
Mr. Fingers: Cerebral Hemispheres (Alleviated)
Vor 25 Jahren hat der die House Music erfunden, und auf diesem großen Alterswerk klingt er beseelt wie am ersten Tag.
(Jens Balzer)
Die Alben von Nicki Minaj, The Carters, Cardi B, Kanye West, Nas, Drake
Gab so viele große Stars dieses Jahr, können Sie alles machen.
(Antonia Baum)ANZEIGE
The Prodigy: No Tourists (BMG)
Mit rohen Breakbeats klingt No Tourists wenig innovativ nach den letzten Alben. Aber da die sehr gut waren, ist das ja nicht das Schlechteste.
(Martin Eimermacher)
Kim Kashkashian: J. S. Bach, Six Suites for Viola Solo (ECM)
Bach soll die Suiten für Cello geschrieben haben. Dabei wartete er auf diese Bratscherin. Wunderbar.
(Volker Hagedorn)
Barbara Hannigan, Reinbert de Leeuw: Vienna (Alpha)Liedgesang ist, wenn die Spätromantik in die Moderne kippt. Mit Wolf, Berg, Webern. Berückende Schlaglichter.
(Christine Lemke-Matwey)ANZEIGE
DJ Koze: Knock Knock (Pampa)
Pick Up allein schon! Der Dancetrack des Sommers, zusammengegrabbelt von Koze aus der Restekiste von Daft Punk und Nicolas Jaar. Kalkuliert super.(Dirk Peitz)
Gudrun Gut: Moment (Monika)
Die Berliner Underground-Legende und Mitgründerin der Einstürzenden Neubauten trumpft mit Flüsterbotschaften und sinistrem Elektrowummern auf.
(Pinky Rose)
Iveta Apkalna: Light and Dark (DDD) Das Potenzial der Elphi-Orgel mit einem chamäleonhaften Programm ausgereizt. Virtuos bis ins leiseste ppp.
(Hannah Schmidt)
Charles Lloyd & The Marvels + Lucinda Williams: Vanished Gardens (Blue Note)
Ein, zwei, drei Stars, denn Bill Frisell spielt auch mit. Zarter Mix aus Jazzund Country.
(Ulrich Stock)
Janelle Monáe: Dirty Computer (Atlantic)
Sci-Fi-Humanismus und Zukunftsmusik:. Prince ist tot, lang lebe seine Epigonin Monáe.
(Fabian Wolff)
Junges Talent
Amnesia Scanner: Another Life (PAN)
Hier singen elektrische Körper: Das finnische Duo Amnesia Scanner produziert kalt erleuchtete Gospelmusik; heiter und apokalyptisch zugleich.
(Jens Balzer)
Eminem: The Marshall Mathers LP (Aftermath, Interscope)
Eminem hat so grauenhafte Alben produziert in letzter Zeit, dass es wichtig ist, sich an seine frühen zu erinnern.
(Antonia Baum)
Heim: WS (Tapete Records)Kommt aus der bayerischen Provinz, klingt aber nach Stromgitarrenrock, der an der US-Küste die Hütte abreißt. Wie man so zu sagen verbricht.
(Martin Eimermacher)
Tillmann Höfs: Hindemith, Salonen u. a. (Genuin) Erstmals im Deutschen Musikwettbewerb siegte ein Hornist. Mit Höfs ist die Glücksspirale neu zu entdecken.
(Volker Hagedorn)
Benjamin Appl, Concerto Köln: Bach (Sony)
Jauchzen, tanzen, springen: Der junge Bariton Benjamin Appl meint es ernst und entdeckt Bach als Lautmaler und Klangpoeten.
(Christine Lemke-Matwey)
Kali Uchis: Isolation (EMI)
Das Album der kolumbianisch-amerikanischen Songwriterin und Sängerin funktioniert wie eine Zeitmaschine: Immer wenn man denkt, nun wird der Soul aber arg altmodisch, drückt die 24-Jährige plötzlich auf den R’n’B-Zukunftsknopf.
(Dirk Peitz)
Sudan Archives: Sink (Stones Throw Records)
Sudanesische Fiedelfolklore und Rap-Experimente, gegen den Strich getrimmt von der durchaus popaffinen Afroamerikanerin Brittney Parks.
(Pinky Rose)
Mosa Trio: Portraits (Antarctica)
Schostakowitschs 2. Klaviertrio, dazu Trios von Sam David Wamper und Mathias Coppens. Eine Debüt-CD wie ein Feinkostladen.
(Hannah Schmidt)
System: Plus (Morr Music) Wie viel Talent braucht Musik, die aus der Tiefe von Systemen aufsteigt? Hier drei halbalte E-Dänen mit dem Berliner Klavierklangjungbrunnen Nils Frahm.
(Ulrich Stock)
Noname: Room 25 (Bandcamp)
Die MC aus Chicago erzählt von ihrem Leben und rappt sich dabei – nach eigener Aussage – entspannt den Arsch ab.
(Fabian Wolff)
Neue Interpretation
Michaela Meise: Ich bin Griechin (Martin Hossbach)
Sechziger-Chansons auf Deutsch. Herzabschnürend: Mikis Theodorakis’ Hoheslied über die Shoah.
(Jens Balzer)
VSK: Wo die wilden Kerle flowen (Beat The Rich!)
Rührende, sehr lustige Neuinterpretation des eigentlich unerträglichen Neunzigerjahre-Backpacker-Kiffer-Studenten-Raps.
(Antonia Baum)
The Screenshots: Europa (Staatsakt)Hätten Tocotronic mal Sportfreunde Stiller gecovert, klänge das so. Diskursakkorde auf der Höhe der Zeit, beziehungsweise halt der Nullerjahre.
(Martin Eimermacher)
François-Xavier Roth: Les Siècles (Ravel: Ma Mère l’Oye u. a.) (Harmonia Mundi) Ravels Modernität erschließt sich auf historischen Instrumenten – lange vor dem Boléro.
(Volker Hagedorn)
T. Currentzis, MusicAeterna: Mahler Symphony N° 6 (Sony)Greller, fratzenhafter, morbider, rüder, fahler, stampfender ist Mahler derzeit nicht zu haben. Kolossal.
(Christine Lemke-Matwey)
Igor Levit: Life (Sony Classical)
Die Kunst (und das Leben) ist nichts als Bearbeitung. Liszt paraphrasiert Wagner, Brahms transkribiert Bach. Jetzt spielt der Pianist Levit es, und irgendwann später wird es jemand anderes tun.
(Dirk Peitz)
Everything Is Recorded by Richard Russell (XL Recordings)
Mehrere Generationen Samplingkünstler spielen Jamsessions im Studio des Produzenten – das neue Rückwärts-nach-vorn!
(Pinky Rose)
François-Xavier Roth, Les Siècles: Maurice Ravel (Harmonia Mundi)
Nymphenhaft, flirrend, atemleicht auf historischen Instrumenten.
(Hannah Schmidt)
Draksler/Eldh/Lillinger: Punkt.Vrt.Plastik (intakt) Sie interpretieren gleich ein ganzes Genre neu: das gute alte Klaviertrio. Jazz-Platte des Jahres!
(Ulrich Stock)
Rachmaninoff Plays Symphonic Dances (Marston)
Eher originär als neu: In einer bislang unbekannten Privataufnahme von 1940 lässt Rachmaninoff ein Klavier wie ein Orchester klingen.
(Fabian Wolff)
Geheimtipp
Georgia Ann Muldrow: Overload (Brainfeeder)
Der schönste Soul des Jahres! Historisch reich, hochmodern und voller Zorn über den Rassismus, der nicht vergeht.
(Jens Balzer)
Outerspass: Frosty (YouTube)
So geheim, dass ich Ihnen wirklich nichts dazu sagen kann.
(Antonia Baum)
Haszcara: Polaris (Audiolith)
Sollte Deutschrap bald wegen akuter Langweiligkeit eingestampft werden, verschone man doch bitte diese kluge, handwerklich brillante Rapperin.
(Martin Eimermacher)
Alma Quartet: Dutilleux, Glass (Gutman Records)
Ein 180-Gramm-Vinyl, auf dem die Nuancen leuchten wie Wolken kurz nach Sonnenuntergang.
(Volker Hagedorn)
Gülru Ensari, Herbert Schuch: Dialogues (Avi) Was haben Mozart und Debussy mit Bernd Alois Zimmermann gemein? Vier Hände am Klavier. Und schnelle, tiefe Blicke.
(Christine Lemke-Matwey)
Julia Holter: Aviary (Domino)
Holter ist, gemessen an ihren quasi nichtexistenten Chartplatzierungen, in Deutschland offenbar immer noch kein Superstar. Völlig unverständlich, nicht erst seit diesem fabelhaft versponnenen Album über die Erinnerung.
(Dirk Peitz)
haarmannhommelsheim: Die Umrandung des Nichts (klangmœbel)
Psst, hier kommt ein scheues, leises Electronicahörspiel aus Münster, mit Mandolinenzauber und sphärischem Gesang.
(Pinky Rose)
Isang Yun: Sunrise Falling (Pentatone)
Der Cellist Matt Haimovitz gerät mit dem koreanischen Komponisten in einen regelrechten Flow. Packend, ungewohnt, cool.
(Hannah Schmidt)
“Cellist Matt Haimovitz gets into a real flow with the Korean composer. Enthralling, unfamiliar, cool.”
The Necks: Body (ReR)Seit drei Jahrzehnten touren sie um die Welt, und mancher kennt sie immer noch nicht: spirituelle Augenblicksmusik zum Einsinken und Wegdriften.
(Ulrich Stock)
Sarathy Korwar and Upaj Collective: My East Is Your West (Gearbox)
Pharoah Sanders und Alice Coltrane, direkt aus dem Herzen von Diaspora-London.
(Fabian Wolff)
Gute Unterhaltung
The Screenshots: Europa (Staatsakt)
Drei Internet-Avatare versehen Punkrock mit Twittertexten und erschaffen auf diese Weise ergreifende Liebeslieder.
(Jens Balzer)
Auch hier wieder: VSK: Wo die wilden Kerle flowen (Beat The Rich!)
(Antonia Baum)
Die Nerven: Fake (Glitterhouse Records) Dissonante Gitarren und Texte, die in einer besseren Welt bekannt wären wie uncoole Quatschbands à la Tote Hosen (ist doch wahr!).
(Martin Eimermacher)
Danish String Quartet: Last Leaf (ECM)
Vom Cross-over-Gewürge vieler Kollegen sind die Dänen weit entfernt: Ihre inspirierte Folklore lässt auch den Geist tanzen.
(Volker Hagedorn)
Rolando Villazón: Feliz Navidad (DG)
So als Soundtrack zur Bescherung ist O Dannenbaum sicher lustig. Rolando Villazón goes Rudolf Schock. Sasha hilft ihm dabei.
(Christine Lemke-Matwey)
Arctic Monkeys: Tranquility Base Hotel & Casino (Domino)
Popplatten sollten prinzipiell so heißen und klingen, als spielten ihre Lieder in einem künftigen Las Vegas auf dem Mars. Four stars out of five.
(Dirk Peitz)
Theodor Shitstorm: Sie werden dich lieben (Staatsakt)
Beschwingter, wunderbar selbstironischer Liedermacherschrammelpop für Thirtysomethings – und drüber!
(Pinky Rose)
L’Arpeggiata: Himmelsmusik (Warner)
Alte Musik von Schütz bis Theile, die einen umarmt. Besonders lyrisch: die Krummhorn-Soli!
(Hannah Schmidt)
Thumbscrew: Theirs (Cuneiform)
Nach ihrem Gitarrenspiel kann man süchtig werden: Mary Halvorson, hier im Jazztrio mit Michael Formanek, Bass, und Tomas Fujiwara, Schlagzeug.
(Ulrich Stock)
Pusha T: Daytona (GOOD Music)
Das einzig richtig solide Album aus der Kanye-Explosion im Sommer, 21 reine Minuten, die sich auf 210 strecken lassen.
(Fabian Wolff)
Edition, CD-Box
Kate Bush: Remastered in Vinyl I–IV (Warner)
Das Gesamtwerk der größten Popkünstlerin des 20. Jahrhunderts, klanglich neu geschliffen auf 14 LPs. Kniet nieder vor der Königin.
(Jens Balzer)
Offen gestanden arbeite ich weder mit CDs noch mit CD-Editionen. Aber bei dem Streaming-Dienst Tidal gibt es eine tolle Playlist: Beyoncé Essentials. Der pure Frische-Kick.
(Antonia Baum)
Superpunk: Mehr ist Mehr (Tapete Records) Alles von 1996 bis 2012. Gemessen am Storytelling dieser toten Northern-Soul-Band ist der große Sven Regner ein Leserbriefschreiber.
(Martin Eimermacher)
Linos Ensemble: Bruckner, Mahler u. a. (Capriccio, 8 CDs) Ein Wahnsinnsprojekt: Die Arrangements aus Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen.
(Volker Hagedorn)
Shura Cherkassky: Piano Masterpieces (Profil, 10 CDs)Er reparierte schon mal mitten im Konzert das Pedal – und war der letzte echte Romantiker. Umwerfend.
(Christine Lemke-Matwey)
Tierra Whack: Whack World (auf Spotify)Wer hört denn noch CDs? Whack World ist wie der Trailer zu einem Album, das Kurzwerk besteht aus 15 Einminutensongs. Contemporary Konzeptkunst-R’n’B.
(Dirk Peitz)
Holger Czukay: Cinema (Retrospective/Grönland/RTD, 5 LPs/CDs, DVD)
Großes Schwelgen im fantastischen Klangkosmos des 2017 verstorbenen Avantgarde- und Krautrockgenies.
(Pinky Rose)
Sergej Rachmaninoff – Die Melodiya-Edition (ADD/DDD)
33 CDs und eine LP, exquisite Interpretationen. Ohne Schlafpausen rund 40 Stunden Musik am Stück.
(Hannah Schmidt)
Fredy Studer: Now’s The Time – Solo Drums (Everest) Zweimal schweres Vinyl mit fein austarierten Rhythmen plus ein Buch zum Leben dieses großen Schweizer Schlagzeugers.
(Ulrich Stock)
Bobbie Gentry: The Girl From Chickasaw Country (Capitol)
Alle Aufnahmen der Country-Soul-Legende – rau, elegant und immer umwerfend klug.
(Fabian Wolff)
Musikbuch
Matthew Collin: Rave On (Hannibal Verlag, 25,– €)
Wie Electro über afroamerikanische Ghettos und Nachwende-Berlin in asiatische Millionärsclubs gelangte.
(Jens Balzer)
So klingt Vivaldi: Klassik für Kinder (Ullmann Medien, 9,99 €)
Auf den relativ süß illustrierten Seiten gibt es einen Knopf, der Vivaldi-Stücke anspielt.
(Antonia Baum)
Philipp Meinert: Homopunk History (Ventil, 22,– €) Die vergessene Geschichte des Punk-Rock (Lou Reed, Ramones und so), der eben stets auch schwul, schmutzig, ja: queer war.
(Martin Eimermacher)
Claude Debussy: Briefe an seine Verleger (Olms, 38,– €)
Es geht um Liebe, Krieg, Geld, Musik, um alles; die Übersetzung ist kongenial.
(Volker Hagedorn)
Musik: Ein Streifzug durch 12 Jahrhunderte (Bärenreiter, 29,99 €) Von Bach bis Elvis, von Minnesang bis House: Dieser musikalische Durchlauferhitzer kennt keine Kartonagen.
(Christine Lemke-Matwey)
Adam Horovitz, Michael Diamond: Beastie Boys Buch (Heyne, 40,–€)
Reine Fan-Lektüre, von seinen einstigen Bandkollegen dem verstorbenen dritten Beastie Boy gewidmet, Adam Yauch. Eine sentimentale Erinnerung ans große Spaßhaben.
(Dirk Peitz)
Beethoven: Der einsame Revolutionär (C. H. Beck, 29,95 €)
Jan Caeyers beschreibt den Beethoven-Kult als zeitgeschichtliches Phänomen. Kunstvoll erzählt, nüchterner Blick.
(Hannah Schmidt)
Meinrad Buholzer: Always a Pleasure (über mab-cpt@bluewin.ch, 32,– €) Begegnungen mit Cecil Taylor über vier Jahrzehnte hinweg – ein Buch, das den Pianisten zum Klingen bringt.
(Ulrich Stock)
Nate Chinen: Playing Changes. Jazz for the New Century (Pantheon, 16,– €)
Warum Jazz die Musik des Jetzt ist, narrativ erklärt.
(Fabian Wolff)null
Mr. Fingers: Cerebral Hemispheres (Alleviated)
Vor 25 Jahren hat der die House Music erfunden, und auf diesem großen Alterswerk klingt er beseelt wie am ersten Tag.
(Jens Balzer)
Die Alben von Nicki Minaj, The Carters, Cardi B, Kanye West, Nas, Drake
Gab so viele große Stars dieses Jahr, können Sie alles machen.
(Antonia Baum)
The Prodigy: No Tourists (BMG)
Mit rohen Breakbeats klingt No Tourists wenig innovativ nach den letzten Alben. Aber da die sehr gut waren, ist das ja nicht das Schlechteste.
(Martin Eimermacher)
Kim Kashkashian: J. S. Bach, Six Suites for Viola Solo (ECM)
Bach soll die Suiten für Cello geschrieben haben. Dabei wartete er auf diese Bratscherin. Wunderbar.
(Volker Hagedorn)
Barbara Hannigan, Reinbert de Leeuw: Vienna (Alpha)Liedgesang ist, wenn die Spätromantik in die Moderne kippt. Mit Wolf, Berg, Webern. Berückende Schlaglichter.
(Christine Lemke-Matwey)
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